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Paul Chaim Eisenberg

DAS ABC
VOM GLÜCK

Jüdische Weisheit für jede Lebenslage

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Inhalt

A

Ainleitung

Aleph Beth

B

Beten

Bibelstunde

C

Chassidische Geschichten

D

Dankbarkeit

E

Empathie

F

Freude

Fundi

G

Genesis

H

Heiraten

I

Influencer

J

Jom Kippur

Jagd

Jüdisch-christlich-muslimisch

K

Kabbala

Koscher

Kalender

L

Laubhüttenfest

M

Maseltov

Matura

Mütter

Musik

N

Narrativ

O

Oesterreich

Orthodox

P

Purim-Fest

Q

Quelle

R

Recht

Reichtum

S

Schabbat

Survivor

Segenssprüche

Selbstkritik

T

Talmud

Tora

U

Upgrade

V

Väter (und ihre weisen Sprüche)

Vermehrung

W

Weisheit

Witzige Anekdoten

X

Xperte

Y

Yeschiwa

Z

36 Zadikim

A

Ainleitung

Jeder Mensch sollte, wenn er Schulden hat, diese früher oder später bezahlen. Das gilt auch für einen Rabbiner. Ich habe bei meinen Leserinnen und Lesern Schulden: Als ich vor ein paar Jahren begann, mein Buch mit dem Titel „Le Chaim – Auf das Leben!“ zu schreiben, da hatte ich einen ganzen Haufen tolle Ideen dafür, die leider ein bisschen wirr waren, weil sie keinerlei Reihenfolge oder Struktur gehorchten.

Damals kam mir der Einfall, dass ich diese Ideen einfach nach dem Alphabet ordnen und zu jedem Buchstaben ein größeres oder kleineres Kapitel machen könnte, je nachdem, wie viel ich dazu zu sagen hätte.

Als sich das Konzept des Buches dann konkretisierte, habe ich diesen Plan jedoch fallen gelassen und es ganz anders gemacht. Wenn Sie genau wissen wollen wie, dann dürfen Sie sich das Buch selbstverständlich gerne kaufen.

Als „Auf das Leben!“ aber vorangekündigt wurde, stand im Katalog des Brandstätter-Verlages: „Oberrabbiner Eisenberg erklärt das Judentum anhand des Alphabets“, weil diese Beschreibung schon gedruckt worden war, als ich diesen Plan noch verfolgte. Das Buch entstand dann ohne Alphabet und wurde doch verkauft.

Als nun vergangenes Jahr mein Verlag die verrückte Idee entwickelte, dass ich noch ein zweites Buch schreiben sollte, habe ich beschlossen, meine Schulden bei jenen Leserinnen und Lesern zu begleichen, die sich aufgrund der Vorankündigung vielleicht schon auf mein ABC gefreut hatten. Und deshalb halten Sie genau das jetzt in Händen – wobei ich Sie bereits jetzt warnen möchte, dass ich es mit der alphabetischen Struktur nicht immer so akademisch genau nehme. Mit Buchstaben ist es wie mit Menschen: Zu manchen fällt einem mehr, zu manchen weniger ein – und manchmal muss man sogar ein bisschen tricksen, damit die Ainleitung zum Beispiel dort stehen kann, wo sie hingehört: am Anfang des Buches.

„Das ABC vom Glück“ heißt dieses Buch deshalb, weil ich Sie mit meinem Alphabet nicht belehren, sondern Ihnen ein paar glückliche Lesestunden schenken möchte. Oder sagen wir, ich möchte Ihnen glückliche Stunden schenken, indem ich Sie ein wenig belehre. Denn ich bin überzeugt davon, – und das ist eine sehr jüdische Überzeugung – dass das Lernen zu den beglückendsten Dingen im Leben gehört. Davon und von vielem anderen handelt dieses kleine und bewusst unvollständige Kompendium jüdischer Weisheiten für jede Lebenslage.

Es ist zwar nicht meine Hauptaufgabe, ständig das Judentum nach außen hin zu repräsentieren, andererseits habe ich aber auch keine Scheu, das zu tun. Und ab und zu halte ich es für vertretbar, auch außerhalb des religiösen oder spirituellen Rahmens aufzutreten. Ich habe lange Zeit eine eigene Sendung über das Judentum im ORF (den manche seither als OberRabbinerFernsehen buchstabieren) namens „Schalom“ moderiert. Wenn ein Rabbiner nämlich irgendwo erscheint, wo man ihn überhaupt nicht erwartet – zum Beispiel im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – dann hat er die Möglichkeit, Menschen anzusprechen, die er sonst nicht so leicht erreichen würde. Hauptsache, Sie zappen nicht sofort zu einem anderen Kanal. Aber auch das würde ich Ihnen verzeihen.

Die Idee, möglichst viele Menschen zu erreichen und glücklich zu machen, liegt auch dem vorliegenden Buch zugrunde. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Vergnügen mit den folgenden 22 Buchstaben – Maseltov!

Aleph Beth

Das griechische und das hebräische ABC sind miteinander verwandt. Im Griechischen heißt das ABC bekanntlich Alphabet, die ersten vier Buchstaben lauten Alpha, Beta, Gamma und Delta.

Im Hebräischen lauten die ersten Buchstaben Aleph, Beth, Gimel und Daleth. Beth spricht man B, Gimel spricht man G, Daleth spricht man D; aber das Aleph ist kein A, sondern ein stummer Buchstabe, der je nach Betonung A, E, I, O oder U ausgesprochen wird.

Jetzt könnte man natürlich darüber streiten, ob die alten Griechen ihr Alphabet von uns gestohlen haben oder umgekehrt. Die Antwort hängt wahrscheinlich davon ab, ob man ein fundamentalistischer Jude oder ein fundamentalistischer Grieche ist (siehe F wie Fundi).

Ein interessanter Unterschied des hebräischen Aleph Beths zu unserem ABC ist jedenfalls, dass bei Letzterem die Buchstaben für sich genommen nichts bedeuten, sondern bloße Laute sind.

Im Hebräischen dagegen ist fast jeder Buchstabe zugleich auch ein Wort. Aleph etwa heißt unter anderem „Sieger“ und „Offizier“. Das Beth wiederum bedeutet im weitesten Sinne „Haus“ und der dritte Buchstabe, Gimel, erinnert frappierend an „Gamal“, das Kamel.

Als ich das einmal einem jungen Schüler, der noch fast nichts über die hebräische Sprache wusste, erklärte, meinte er, dass ihn diese Bildhaftigkeit der Sprache irgendwie ans Chinesische erinnere. Darüber weiß ich nichts, aber in diesem Fall ist die Sache klar: Die Chinesen müssen es von uns gestohlen haben.

Aber zurück zum hebräischen Aleph Beth. In der Kabbala (siehe K wie Kabbala), der jüdischen Mystik, geht es manchmal um Zahlenspiele, und auch da lässt sich mit dem Aleph Beth viel anfangen. Das Wort „Liebe“ heißt auf Hebräisch etwa „Ahawah“. Weist man den Buchstaben, aus denen dieses Wort besteht, jeweils einen Zahlenwert entsprechend der Stelle zu, an der sie im Aleph Beth stehen, und zählt dann zusammen, kommt man für Ahawah auf die Zahl 13. Zweimal 13 ist bekanntlich 26, und das ist wiederum die Quersumme des Namens Gottes, J-H-W-H. Und was schließen die Kabbalisten daraus? Natürlich, dass das Grundprinzip des Lebens die Liebe, und zwar die doppelte Liebe ist: Die Liebe, die wir für Gott empfinden sowie die, die wir von ihm empfangen.

Man kann mithilfe einer kabbalistischen Auslegung des Aleph Beths aber auch beweisen, dass Lügen kurze Beine haben, wie ein Sprichwort sagt. Dafür muss man sich die Form der hebräischen Buchstaben aber etwas genauer anschauen.

Die Wahrheit heißt auf Hebräisch „Emet“, auf Hebräisch schreibt man das so:

תמא

Wie man sieht, haben alle drei Buchstaben, aus denen dieses Wort besteht, eine stabile Grundlage. Es könnte jeder davon für sich alleine stehen und würde nicht umfallen.

Und wie schaut es mit „Scheker“, der Lüge aus? Die schreibt sich im Hebräischen so:

רשק

Auf der Seite eines Buches fällt natürlich auch dieses Wort nicht um, aber stellen wir es uns einmal dreidimensional vor. Dann kann man leicht einsehen, dass die Lüge auf Hebräisch, wenn schon nicht auf kurzen, dann doch zumindest auf sehr wackeligen Beinen steht.

Ein Zufall? Das würden die Kabbalisten heftig bestreiten und darauf bestehen, dass der Ewige sich etwas dabei gedacht hat, als er das hebräische Aleph Beth schuf.

Wenn wir die Position der drei Buchstaben des Wortes „Em(e)t“ im Alphabet betrachten, so merken wir, dass es sich um den ersten Buchstaben (Aleph), den mittleren Buchstaben (Mem) und den letzten Buchstaben (Taff) handelt. Im übertragenen Sinn ist die Wahrheit also eine ausgewogene Sache.

Dagegen setzt sich das Wort „Scheker“ aus drei der vier letzten Buchstaben im Aleph Beth zusammen.

Was können wir aus dieser Zahlen- und Buchstabenmystik lernen? Wahrheit ist etwas Ausgewogenes, von A bis Z. Man kann und soll sich alles von jeder Richtung anschauen – von rechts, von links, von der Mitte.

Die Lüge dagegen ist asymmetrisch, instabil und einseitig (weil sie sich nur aus den hinteren Buchstaben zusammensetzt). Man kann das alles natürlich als Esoterik und Mystizismus abtun. Aber entscheidend ist doch, so meine ich, was man daraus lernt. Und hieraus lässt sich mitnehmen, dass eine einseitige Betrachtungsweise niemals den Weg zur Wahrheit weisen wird.

B

Beten

Ein Schüler fragte einmal zwei Rabbis, wie es möglich sei, besonders inbrünstig zu beten.

Der eine sagte: „Immer wenn du betest, solltest du dir vorstellen, dass du jetzt zum ersten Mal betest, dann ist dein Gebet immer frisch.“

Der andere sagte: „Immer wenn du betest, solltest du dir vorstellen, dass du jetzt zum letzten Mal betest, dann ist dein Gebet immer innig.“

Der österreichische Oberrabbiner sagt: „Wie so oft im Judentum haben beide recht.“ Noch mehr zu diesem Thema lässt sich aus der folgenden Geschichte lernen:

Neben dem Kantor eines jüdischen Bethauses stand in der Synagoge immer ein schwer behindertes Kind. Einer der Betenden nahm das Kind mit in die Synagoge, weil er es nicht alleine lassen konnte.

Beim Rabbiner und der gesamten Gemeinde war der Kantor für seinen besonders innigen und leidenschaftlichen Gesang sehr beliebt. Man bewunderte ihn auch dafür, dass er es dem Kind erlaubte, im Rollstuhl direkt neben ihm zu sitzen, während er vorbetete.

Nach einigen Jahren starb das Kind. In der Folgezeit aber bemerkten die Gemeindemitglieder und der Rabbiner, dass der Gesang des Kantors nachließ. Er sang zwar nicht falsch, aber mit viel weniger Inbrunst als früher.

Als der Rabbiner den Mann eines Tages darauf ansprach, antwortete dieser: „Mir fehlt die Anwesenheit des kranken Kindes. Wenn es an meiner Seite gesessen ist, hat mich das inspiriert, inniger zu beten.“

Das leuchtete den Menschen ein, da „ein gebrochenes Herz nicht immer eine Last, sondern manchmal eine Stütze sein kann“.

Was muss man haben, damit ein Bethaus funktioniert? Zunächst sei bemerkt, dass der jüdische Glaube es auch erlaubt, dass ein Mensch alleine betet. Es gab Kabbalisten, die manchmal in einen Wald gegangen sind, dort mit dem Ewigen alleine waren und beteten. Das war aber die Ausnahme. In der Regel haben diese an den Gemeinschaftsgottesdiensten in der Synagoge teilgenommen.

Ein Gemeinschaftsgebet ist eines, an dem mindestens zehn erwachsene Juden teilnehmen. Dort ist einer der Vorbeter – das muss kein Profi sein, denn auch ein einfacher frommer Jude kann vorbeten, wenn er dazu fähig ist und ihn die Gemeinde lässt. Denn der Vorbeter ist eigentlich ein Gesandter der Gemeinde. In kleinen Gemeinden ist es allerdings oft nicht so leicht, jeden Tag zum Früh- und Abendgebet einen sogenannten Minjan von zehn Juden zusammenzurufen.

Da das Wort Synagoge griechisch ist, verwende ich meistens lieber den Begriff „Bethaus“ oder „Betstube“. Der hebräische Ausdruck „Bet Knesset“ bedeutet eigentlich Versammlungshaus, ähnlich wie Synagoge, weil außer dem Gebet auch Gemeindeversammlungen abgehalten werden konnten. Es war sogar üblich (Gott sei Dank heute nicht mehr), dass ein Jude oder eine Jüdin mit einem wichtigen Anliegen den Gottesdienst unterbrechen durfte, um sein beziehungsweise ihr Problem vorzutragen.

Braucht ein Bethaus einen Rabbiner? Antwort: Nein, es genügen zehn erwachsene Juden. Was ein „Bet Knesset“ wirklich braucht, ist – einen Schammes!

Der Schammes verteilt Gebetbücher, weist Plätze zu und erledigt viele weitere notwendige Dinge. Wir haben in Wien einen besonders umtriebigen Schammes, der auch Glühbirnen wechseln kann und einen Erste-Hilfe-Koffer hat. Denn gerade am Fasttag des Jom Kippur (siehe J wie Jom Kippur) kann es geschehen, dass jemand sich nicht gut fühlt und Versorgung braucht.

Weil die Betenden oft Gebetbücher aus dem Kasten nehmen, sie dann aber nicht mehr zurücklegen, räumt der Schammes sie nach Ende des Gottesdienstes wieder ein. Mein Schammes hat mir das Geheimnis verraten, woran man erkennt, ob das Gebetbuch von einem Mann oder einer Frau verwendet wurde. Wenn eine Frau darin gebetet hat, dann kann es sein, dass ein Lippenstiftabdruck auf dem Einband erkennbar ist – weil man ein Gebetbuch küsst, bevor man es weglegt.

Es gab einmal ein lustiges Theaterstück unter dem Titel „Der Zehnte Mann“, in dem die Probleme einer Synagoge thematisiert wurden. Der Schauspieler, der den Schammes spielen sollte, war der in Wien berühmte Kurt Sowinetz. Er kam zu meinem seligen Vater, Oberrabbiner Akiba Eisenberg, um ihn zu fragen, wie er die Rolle gestalten solle. Dieser riet ihm stattdessen, in die Synagoge zu kommen und den Schammes – Herrn Mordche Krawetz – zu beobachten. Als mein Vater dann zur Premiere kam, war er verblüfft, wie genau Kurt Sowinetz die Bewegungen des Schammes nachahmte!

In alten Zeiten hat der Rabbiner oft neben dem Gebetsraum gewohnt oder vielleicht sollte man umgekehrt sagen, das Bethaus befand sich neben der Wohnung des Rabbiners. Ein berühmter Rebbe war einmal nicht gesund (die Chassidim sagen nicht, dass man „krank“ ist, sondern nur „nicht gesund“). Der Arzt hatte ihm geraten, einige Tage nicht in die Synagoge zu gehen, aber der Rabbi wollte doch mit einem Minjan gemeinsam beten und beauftragte seinen Schammes, neun Männer aus seiner Gemeinde (und nicht mehr) in seine Wohnung zu rufen. Der Schammes brachte zum Morgengebet acht Männer in das kleine Zimmer des Rebbe, denn der neunte war der Schammes und der zehnte der Rabbi selbst. Ein junger Mann wollte unbedingt auch noch beim Rabbi beten, er wäre aber Nummer elf gewesen, deshalb stieß ihn der Schammes weg und er fiel auf den Boden.

Als zum Abendgebet der Schammes dieselben Männer wieder ins Zimmer des Rabbi brachte, sagte der Rabbi plötzlich: „Wir können noch nicht beten, denn wir sind nicht zehn!“

Darauf der Schammes: „Es sind doch die gleichen zehn Leute wie heute früh!“

Da antwortete ihm der Rabbi: „Einen Juden, der einen anderen zu Boden stößt, kann man nicht zum Minjan zählen! Bring mir den jungen Mann, den du heute früh nicht hereingelassen hast.“

Abschließend ist zu sagen, dass neun Oberrabbiner noch keinen Minjan machen (das Quorum von zehn wird von ihnen nicht erfüllt), aber zehn einfache – vielleicht sogar ungebildete – Juden bilden sehr wohl einen Minjan. Sie sollen sich nur beim Beten nicht durch rüdes Verhalten disqualifizieren. Wir sind in dieser Hinsicht also eine sehr basisdemokratische Religion.

Bibelstunde

Jeden Mittwochabend um 19 Uhr halte ich bei mir zu Hause eine Bibelstunde mit interessierten und wissbegierigen Menschen ab. Bibelstunde ist dafür vielleicht gar nicht der richtige Ausdruck, denn es ist nicht immer nur die Bibel, in der wir lesen. Es ist eine Art Judentumskunde, die ich da einmal pro Woche veranstalte, und zu der Juden, solche, die es werden wollen, aber auch einfach an der Religion interessierte Leute erscheinen.

Ursprünglich wollte ich diese Bibelstunde für Herren und Damen getrennt abhalten: Die Damen am Vormittag, die Herren am Abend. Auch in der traditionellen Synagoge sitzen Herren und Damen getrennt (wobei diese Trennung im Reformjudentum nicht eingehalten wird).

Bald habe ich aber festgestellt, dass immer mehr Herren am Abend fernblieben: mit der Begründung, dass sie zu einer Geschäftsreise aufbrechen müssten oder andere wichtige Verpflichtungen hätten, und deshalb nicht kommen könnten. Und manche Damen konnten am Vormittag nicht, weil sie zur Arbeit gehen mussten. Also habe ich die Geschlechtertrennung für den Abend-Schiur (das ist der hebräische Ausdruck für Bibelstunde) aufgehoben: Jetzt kommen am Abend Männer und Frauen, und die Frauen sind mehr als ein vollwertiger Ersatz für die fehlenden Männer.

C

Chassidische Geschichten

Eine sehr bekannte chassidische Geschichte könnte auch als Bühnensketch gespielt werden (zum Beispiel von den berühmten Kabarettisten Farkas und Waldbrunn, Ersterer war übrigens Jude):

Im Stetl waren die Lehrer, die mit den Kindern gelernt haben, keine großen Gelehrten, wurden aber auch Rabbis genannt. Sie wussten wie wir alle einiges, aber natürlich nicht alles. In der Bibel steht an einer Stelle, dass in der Wüste das Manna fällt, und als der Rabbi seinen Schülern davon erzählte, erklärte er auf Hebräisch auch, dass das Manna wie Zapihit geschmeckt hatte. Da fragte der Schüler Moischele den Lehrer: „Rebbe, bitte, was heißt denn Zapihit?“

Der antwortete ihm: „Schau, ich werde dir das genau erklären. Als die Juden in Ägypten waren, waren sie versklavt, dann hat der Pharao sie herausgelassen, da kamen sie in die Wüste, dort gab es nichts zu essen. Und da hat der Ewige das Manna vom Himmel fallen lassen. Und dort heißt es: Das Manna hat geschmeckt wie Zapihit in Honig. Jetzt verstehst du schon, oder?“

Moischele verstand aber nicht.

Also sagte der Rebbe: „Na gut, dann werde ich dir noch mehr erklären: Die Brüder haben den Josef verkauft und Josef kam nach Ägypten und da war eine Hungersnot. Da kamen die anderen Juden und wurden dort versklavt, dann hat der Ewige sie mithilfe von Moses befreit, so kamen sie in die Wüste, dort fiel das Manna und – es hat geschmeckt wie Zapihit mit Honig. Aber jetzt verstehst du schon?“

Moischele wurde langsam unruhig: „Nein, ich versteh’s nicht! Was heißt Zapihit?“

Sagte der Rebbe: „Kein Problem, dann muss ich dir halt noch ein bisschen mehr erklären. Also, es waren Abraham, Isaac und Jakob, und dieser Jakob hatte zwölf Söhne. Einer davon war Josef, und den Josef haben die anderen nicht gemocht “ Und er erzählte weiter bis zu dem Punkt, wo das Manna vom Himmel fällt, und erklärte ihm dann noch einmal: „ und als es endlich vom Himmel gefallen ist – da hat es für sie wie Zapihit mit Honig geschmeckt. So, jetzt verstehst du es aber?!“

„Nein, ich verstehe es immer noch nicht!“, antwortete Moischele.

Jetzt wurde es dem Rebbe schon anstrengend – vor allem, weil er selbst nicht wusste, was das blöde Wort eigentlich bedeutete. Aber er unternahm noch einen Versuch: „Schau, es gab da eine große Sintflut, die nur Noah überlebt hat. Zehn Generationen später kam dann der Abraham, und der wiederum…“, und erzählte ihm also noch einmal alles ganz im Detail bis zu der Stelle, wo das Manna vom Himmel fällt. Und am Schluss sagte er, schon leicht genervt: „So, und jetzt verstehst du aber, was Zapihit ist!“

„Nein, nein, nein“, sagte Moischele, „ich verstehe es immer noch nicht!“

Da begann der Rebbe, ihm von Adam und Eva und der Schöpfung zu erzählen, aber Moischele wollte immer noch mehr wissen.

Also sagte der Rebbe: „Du bist ein Ketzer. Du willst ja wissen, was vor der Schöpfung gewesen ist!“

Zur Erklärung sollte man noch hinzufügen, dass Zapihit „Koreander“ bedeutet. Und wenn nicht einmal ich so genau weiß, was das eigentlich für ein Gewürz ist, wie soll es dann ein Rebbe aus einem kleinen Stetl wissen.